Ein Tourbericht aus der Perspektive eines Teilnehmers

 

Wenn es sowas wie ein „Mekka“ für RT-Freunde gibt, dann ist es Dorfchemnitz (Ortsteil von Zwönitz). Seit 2006 treffen sich dort

regelmäßig die Liebhaber des unverwüstlichen Motorrades, dessen Wiege einstmals bei DKW in Zschopau stand.

 

RT-Claus, Autor des bekannten Buches: „RT 125 - Das kleine Wunder aus Zschopau“ und seine Brüder und Schwestern im

Geiste trugen sich schon einige Jahre mit dem Gedanken, eine Fahrt vom Fichtelberg in Sachsen bis nach Kap Arkona, zur

Nordspitze der Insel Rügen, auf den historischen Motorrädern zu unternehmen.

 

Bis Juni 2025 stand die Planung, und es fanden sich genügend Enthusiasten, die bereit waren, sich auf dieses Abenteuer

einzulassen. Unterwegs waren:

 

3 x DKW RT 125     1 x RT 125/0     3 x RT 125/2     6 x RT 125/3     2 x Endig-RT 125    1 x DKW 175

 

Davon wurden zwei der /3 von zarter weiblicher Hand geführt!

 

Start war am 20. Juni auf dem Fichtelberg und erstes Etappenziel Leipzig. Da ich wegen familiärer Verpflichtungen unmöglich

vormittags auf dem Fichtelberg sein konnte, stieß ich von Dresden kommend in Espenhain, kurz vor Leipzig zur Gruppe.

Von beiden Ausgangspunkten waren es reichlich 100 km, so dass ich kein schlechtes Gewissen haben musste, etwa unlauter

abgekürzt zu haben.

 

In meine RT 125/0 hatte ich einige Wochen vorher einen Ersatzmotor eingepflanzt, weil beim originalen oft der 2. Gang

raussprang und selbst nach 5.000 km noch immer eine leichte Klemmneigung bestand. Innerhalb zweier Wochen hatte ich

die frische Garnitur über 400 km auf der B6 zwischen Meißen und Dresden pendelnd eingefahren und ausreichend Vertrauen

zum Motor erlangt.

 

Die Fichtelberg-Gruppe biegt zum vereinbarten Treffpunkt in Espenhain ab

 

Ein Fotohalt am Völkerschlachtdenkmal musste sein! Bis dorhin kämpften wir uns durch einen Wald aus Leipzigs roten Ampeln.

An einer wurde es grün und meine linke Hand griff ins Leere ... Kupplungsbowdenzug gerissen. Na, das fängt ja gut an!

2 km vorm Denkmal musste ich mir ein schattiges Plätzchen an der bösen Kreuzung suchen, um den Zug zu wechseln.

Glücklicherweise hatte ich einen dabei und konnte die Fahrt nach einer knappen halben Stunde fortsetzen. Zum Fototermin

traf ich sogar noch rechtzeitig ein.

 

Fotohalt am Leipziger Völkerschlachtdenkmal

 

Ein Dach über den Kopf und auch beste kulinarische Versorgung bot uns der MC Post Leipzig an der Speedway-Bahn am

Cottaweg (https://mcpostleipzig.com/). Ein großes Dankeschön für den herzlichen Empfang! Die Freunde dort halten den

Laden in schwierigen Zeiten mit einem unglaublichen persönlichen Einsatz für alle jungen und älteren Motorsport-Begeisterten

am Laufen. Wirksamste Unterstützung für den Verein sind möglichst zahlreiche Besucher zu den Veranstaltungen.

Also, Interessierte aus Leipzig und Umgebung, nix wie hin !!!

 

Am nächsten Morgen durften wir mal kurz auf die Bahn. Ich zog es vor, auf dem rolligen Belag mit beiden Beinen unten zu

bleiben und Schrittgeschwindigkeit nicht zu überschreiten ...

 

Man spürt förmlich den ungebrochenen Willen, Kap Arkona zu erreichen

 

Von Leizig führte die geplante Strecke streng nordwärts über Bad Düben, Bad Schmiedeberg, Wittenberg, Niemegk nach

Brück, dem Ziel der zweiten Etappe. Die Fahrt verlief soweit ohne Probleme, sieht man vom Ableben eines Zündkondensators

ab. Die zwei momentan in der Gruppe befindlichen DKW RT 125–Fahrer und ich gründeten unterwegs eine „Langsam“-Gruppe,

die den um 6,3 km/h Flotteren mit 53,7 folgte. Da ich die Strecke im Navi hatte und ein Begleitfahrzeug stets hinter uns war,

war die Fahrt ausgesprochen entspannt: Kein nerviges am Hinterrad-Klemmen, kein sinnloses Überholen, einfach nur

Dahin-Schnurren.

 

   

In Wittenberg war Mittagsrast bei den 95 Lutherschen Thesen an der Schlosskirche (31. Oktober 1517)

 

 

Das Hotel „Schützenhaus“ in Brück verwöhnt uns mit relativem Luxus. Am Abend gibt es natürlich viel zu erzählen.

 

 

 

Man beachte die schnuckeligen T-Shirts mit unseren Vornamen und dem Tour-Logo auf dem Rücken. Dazu hat uns alle(!!!)

unser norddeutscher RT-Freund „Colonel“ mit je einem Trinkwerkzeug aus Zinn ausgestattet, das für SAE 5 (Kümmel) bis

SAE 80 (Kräuterlikör) bestens geeignet ist.

 

 

Etappe 3 steht an: Von Brück über Ketzin (Havelfähre), Ribbeck/Berge, Fehrbellin, Neuruppin, Rheinsberg nach

Zechlinerhütte / Prebelow.

 

Auf der Havel-Fähre bei Ketzin. Rechts unten in der Bildecke das Navi an meiner RT, gespeist von einer Power-Bank

in der Jackentasche – hat sich bewährt.

 

In Ribbeck halten wir in der „Alten Brennerei“ Rast. Dort dreht sich alles um die Birne (also das Obst, nicht das Leuchtmittel).

Das sind natürlich hauptsächlich süße Sachen, wie Kuchen, Limos, Eis, Kompott usw. Scherzhafterweise bemerke ich als

Süß-Verächter zu meinem Nachbarn „mich würde höchstens Birnen-Salami interessieren“. Er meint: „Geh mal in den Shop,

dort hängt die Birnensalami ...“ Der singende Wirt trägt uns nach dem Abkassieren sogar noch seine selbst geschriebene

humorvolle Ballade „Durch Magdeburch“ zur Gitarre vor. Große Klasse. Kann ich aber leider aus copy-right-Gründen nicht

verlinken ...

 

Falls jemand eine Empfehlung braucht, wie man den Rahmen eines nahezu ungefederten Motorrades zu Bruch bringen kann,

sollte die 20 km-Strecke von Ribbeck nach Hakenberg fahren. Als Beschreibung fällt mir nur ein: Asphaltierter Herbstacker ...

 

In Prebelow erwarten uns 10 Schlaf-Fässer zu je 4 Schlafstellen. Was lustig aussieht, ist aber bei Vollbelegung nicht mehr

ganz so lustig. Da wir jedoch nur zu zweit pro Fass wohnen, bleibt Platz für die persönlichen Sachen.

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Die Dresdner IFA RT 125 vor dem Fass Nr. 37 ...

 

Die Jugendherberge Prebelow ist an sich idyllisch gelegen, ein paar Schritte nur bis zum Großen Prebelowsee. Der vom

Wirt frisch gekochte Gemüse-Gulasch mit Nudeln ist hervorragend und auch das morgige Frühstück wird keine Wünsche

offen lassen.

 

Mit Etappe 4 steht heute der Sturm auf Kap Arkona auf dem Programm: Wesenberg, Neustrelitz, Stavenhagen, Demmin,

Grimmen, Stralsund, Bergen(Rügen), Sagard, Breege, Nobbin (Hofgut Wollin).

 

Es gibt Probleme: Meine Kupplung beginnt bei Leistungsforderung zu rutschen. Das ist blöd, jede Gegenböe, jeder

leichte Anstieg erfordert Gasrücknahme bis kurz unter die „Rutschgrenze“. Was kann ich machen? Ölwechsel?

Nico, mein DKW-Mitfahrer rät zu normalem Motorenöl wie Addinol M50. ich halte Ausschau nach Moped-Werkstätten

an der Strecke. Tatsächlich gelingt es, einen Liter zu erwerben. Schaun wir mal, ob das was bringt.

 

Nun soll ich von Grimmen an auch noch die Führung mit der schwächelnden Kupplung übernehmen. Die Route ist auf dem

Navi programmiert und RT-Claus, der die schnelle Gruppe bislang hervorragend nach Karte geführt hat, ist den Stress

erstmal los. Je näher wir Stralsund kommen, desto unsicherer werde ich, ob ich wirklich die gewünschte Route über die

alte Rügenbrücke programmiert habe. Ich sehe schon die große Auffahrtrampe und die Pylonen der neuen modernen Brücke.

Doch kurz vorher geht es rechts ab nach Dänholm. Gerettet!

 

                                              Wir passieren die alte Rügenbrücke

 

Als wir an der Tankstelle in Bergen/Rügen sind, beginnt es aus vollen Kannen zu schütten. Dazu kommt ein regelrechter

Sturm aus seitlicher Richtung. Auch nach einer Stunde wird es nicht besser, also weiter.

Meine RT kämpft tapfer und die Straße gegen ihre Kupplung ... die Spurrillen auf der Landstraße sind mit Wasser gefüllt,

wir balancieren auf dem trockenen Mittelstreifen.

 

Ich biege als Erster in die Ferienanlage Hofgut Wollin (Nobbin) ein. RT-Claus meldet uns an. Natürlich wollen wir zum

Leuchtfeuer von Kap Arkona. Also nochmal drauf auf die RTs und die 6 km nach Norden. Das Wetter ist gruselig.

Aber: Wir haben es alle geschafft!. Rückzu weicht es uns total ein.

 

Das Gipfelfoto ...

                            

Heute ist Ruhetag, und ich bereite mich auf den Ölwechsel vor. Eine Pappschüssel vom Pizza-Salat gestern Abend wird als

Öl-Auffangschüssel dienen. Es stürmt nach wie vor, der Motor ist bei dem kalten Wind kaum auf Temperatur zu bringen.

 

Das Öl läuft nur handwarm In die Salat-Pappe. Reinhard, der mir hilft, meint: „Wenn das Öl einmal raus ist, mach den Deckel

ab und zieht die Kupplungsschrauben nach!“ Klasse Idee. Gesagt, getan. Geht natürlich nur, weil ich glücklicherweise eine

/1-Kupplung im /0-Motor habe. Deckel ab, Sicherungssplinte raus, Muttern eine Umdrehung angezogen, Splinte wieder rein,

Deckel zu und 0,5 l frisches Öl eingefüllt. Eine erste kurze Testfahrt lässt Optimismus aufkommen. Mehr kann ich heute nicht tun,

alles Weitere wird sich auf der morgigen ersten Rückfahrtetappe zeigen.

 

Abreise vom Hofgut Wollin

 

Von Nobbin/Rügen bis Tiefensee bei Werneuchen sind es rund 290 km, und damit steht uns die bislang längste Etappe bevor.

An der vorgestrigen Regentankstelle bei Bergen/Rügen erreicht uns die Nachricht vom Ausfall der /3 von Andrea. Mehrfache

Reparaturversuche vom RT-Claus bleiben ohne Erfolg, es scheint ein ernsthafter Motorschaden zu sein. Schade für Andrea,

aber das Hauptziel Kap Arkona hat sie doch bravourös erreicht!

 

 

Ein Abriss der Firmengeschichte von Stoye/Leipzig in Bildern                                        RT-Claus im technischen OP

 

Dank gilt an dieser Stelle unseren beiden Begleitfahrern Ronald für die erste Hälfte und Claus H. für die gesamte Strecke.

Claus´ Anhänger war nicht nur schnödes Transportmittel oder Werkstatt sondern zweifellos auch ein Gesamtkunstwerk

hohen Ranges ...

 

 

Auf der Fähre von Glewitz nach Stahlbrode

 

Wir passieren Greifswald, Jarmen,  Friedland, Woldegk, Prenzlau, Angermünde, Chorin, Eberswalde und erreichen schließlich

den Campingplatz in Tiefensee. Hier stehn uns wieder Schlaf-Fässer bzw. Bungelows zur Verfügung.

 

Das Ziel ist bewusst nahe Werneuchen gewählt, wo der Motorradfahrer-Pionier Ernst Geuder seine Spuren hinterlassen hat.

Wer´s noch nicht kennt, dem sei´s wärmstens empfohlen (Tipp für den Niklaus!) „Opa Geuder erzählt“ (ISBN: 9783948437039).

 

 

 

In einer Privatsammlung in Werneuchen konnten wir Pokale, die Goldene Uhr, die Geuder 1907 als Preis gewonnen hatte

und andere Erinnerungsstücke bewundern.

 

Die finale Etappe steht bevor. Oje, da klappert was über dem Hinterrad. Die linke Strebe ist vom Schutzblech abgebrochen.

Getreu dem Mottor: „Mit Hammer, Zange, Rödeldraht, da kommst du bis nach Leningrad...“ ist das schnell

wieder in Ordnung gebracht.

 

Nach Beeskow zweigen die ersten auf den direkten Weg nach Hause ab. Bei mir ist es

Luckau, wo ich mein Gepäck übernehmen und mich von den verbliebenen Mitfahrern verabschieden muss.

Die Kupplung macht mir schon wieder Sorgen, aber bis nach Dresden werde ich es sicher schaffen.

 

    

Lt. meinem Tacho waren es 1.330 km mit 2,1 l/100km              Aufsatteln des Gepäcks bei Luckau

 

Herzlicher Dank gebührt RT-Claus und seiner Andrea, die die Idee zu dieser großartigen Fahrt hatten und sie mit

gediegener Planung realisieren konnten.  Danke, dass wir an dieser – eingedenk des Alters unserer Fahrzeuge -

abenteuerlichen „Expedition“ teilnehmen durften. So unterschiedlich wir auch alle waren, so fest haben wir dennoch

zusammengehalten, uns gegenseitig in jeder Situation geholfen und viel Spaß miteinander gehabt.

 

Spätestens zum nächsten RT-Treffen 2026 in Dorfchemnitz/Zwönitz haben wir Gelegenheit den einen oder anderen

der „verwegenen“ RT-Fahrer wieder zu treffen.

 

Könnten uns Jørgen Skafte Rasmussen (1878-1964), Hermann Weber (1896-1948) und sein Entwickler-Kollektiv

von „oben“ sehen, wäre ein anerkennendes Lächeln gewiss, da bin ich mir sicher. 

 

 

Lothar, Juli 2025