Im Jahr 1962 wurde die
bis dahin produzierte MZ (RT) 125/3 [1] [2] durch die neue Typenreihe ES125/150 ersetzt.
Rahmen und Fahrgestell stellten sowohl in gestalterischer als auch (fertigungs‑)
technischer Sicht eine vollständige Neukonstruktion dar. In [3] und [4] wird die neue Baureihe ausführlich beschrieben.
Anstatt eines geschweißten
oder gelöteten Rohrrahmens kam ein Preßstahlrahmen zum Einsatz. Die Verbindung
der beiden Rahmenhälften erfolgte ausschließlich über Falzung ohne
Schweißpunkte. „Dadurch sei die Verwindungssteifigkeit um 20% gesteigert
worden. Außerdem erübrigte sich dadurch der Import der sehr teuren
Vielpunktschweißeinrichtung“. Dieses Rahmendesign wurde – mit geringen
Modifikationen [5] – in der Baureihe TS125/150 bis zum Jahr 1985
verwendet.
Für das Fahrwerk wurde eine
Vollschwingen-Konstruktion – analog der großen Baureihe – gewählt. Ebenso wie
der hintere Sattelträger war der Vorderradträger aus Leichtmetall gegossen. Die
gegenüber einem Stahlteil reduzierte Masse um die Lenkachse wirkte sich in
erheblichem Maße auf die Fahrstabilität aus [6]. Die vorderen Federbeine wurden unverändert von
der großen Baureihe übernommen. Wahlweise wurden die Maschinen mit Sitzbank
oder Einzelsitzen ausgerüstet.
Der Scheinwerfer war
rahmenfest montiert. Das Scheinwerfergehäuse stellte dabei eine optische
Verlängerung der Linie Sitzbank-Tank dar. Den Spitznamen „rasende Taschenlampe“
hat die Baureihe diesem Design zu verdanken. Erstmals bei einem Serienmotorrad
kam ein Scheinwerfer (Ø 136 mm) mit asymmetrischem Abblendlicht und
40/45W zum Einsatz. Auch trotz der weiterhin verwendeten 6V‑Anlage ist die
Beleuchtung in zeitgenössischen Berichten immer als vorbildlich dargestellt
worden.
Die Vollnaben-Trommelbremsen
wurden im Prinzip unverändert von der Vorgängerbaureihe übernommen. Die nunmehr
innenliegenden Betätigungshebel trugen ebenfalls zum geschlossenen
Erscheinungsbild der Maschinen bei. Selbstverständlich kam auch hier wieder der
bewährte Kettenschutz, bestehend aus einem Kettenkasten aus Kunststoff und den
elastischen Kettenschutzschläuchen, zum Einsatz.
Bei den Motoren handelte es
sich um eine Weiterentwicklung des bereits in der MZ 125/3 und dem Roller
SR59 Berlin [7] verwendeten Einheitsmotors. Die Kurbelwelle wurde
umgestaltet; die Schmierung der Kurbelwellenlager erfolgte jetzt nicht mehr
über das Gemisch sondern über das Getriebeöl. Das Kraftstoff-Gemisch konnte
damit auf 1:33 reduziert werden. Ebenso kamen jetzt sogenannte
Verbundgußzylinder (GG-Laufbüchse mit Al-Zylinderkörper) zum Einsatz. Als
Vergaser wurden die bewährten Rundschieber-Vergaser vom Typ
BVF 22KNB 1‑3 bzw. 24KN 1‑2 verwendet. Die abweichende
Gestaltung der Schwimmerkammer des 24er Vergasers erforderte eine
unterschiedliche Formgebung der zweiteiligen Vergaser-Abdeckung. Damit waren
beide Modelle auch äußerlich zu unterscheiden. Die beiden Hubraumvarianten
unterschieden sich ansonsten nur in Kolben, Zylinder und ‑kopf, Vergaser,
Ansaugkrümmer und Sekundärübersetzung voneinander.
Die Zeitschriften
„Kraftfahrzeugtechnik“ (KFT) und „Der Deutsche Straßenverkehr“ (DSV)
berichteten ausgiebig über die neue Baureihe [8] [9]. Im Jahr 1964 unterzog die Zeitschrift
Kraftfahrzeugtechnik die ES 150 einer 12.000 km-Langstreckenbeurteilung.
Die Leser wurden über den Verlauf des Tests „auf dem Laufenden“ gehalten [10] [11]. Nach Abschluß der 12.000km‑Distanz wurde Bilanz
gezogen [12]: eine Reihe von, z.T. mehrfach aufgetretenen,
Defekten an der Elektrik (Kabelbrüche), Zündkerzenprobleme, der „chronische
Riß“ im vorderen Kotflügel und natürlich die zum Beginn der Serie ständig
aufgetretenen Schäden an den 18W-Sofittenleuchten (für Blinker und Bremslicht).
Das Fazit liest sich dennoch durchaus erfreulich: „Zu dem Prädikat „modernste
Maschine“ aller Motorradwerke in den sozialistischen Ländern, das wir der
MZ ES 125/150 bei unseren ersten Fahreindrücken ausstellten und zu
dem Erfolg der technischen Weiterentwicklung, den wir der kleinen ES bei
unserer Erprobung bestätigten, kommt als Ergebnis der vorliegenden Beurteilung
noch die recht brauchbare (!) Langstreckenzuverlässigkeit.“ Der Baureihe wurde,
übrigens als einziger Serienmaschine von MZ, das Gütezeichen „Q“ vergeben [13]. „Das Prüfzeichen Q bedeutet „ausgezeichnete
Qualität“; die Erteilung dieses Gütezeichens besagt, daß das betreffende
Erzeugnis dem Welthöchststand innerhalb seiner Branche und Klasse entspricht.“
Ähnlich begeistert äußert
sich im Märzheft 1964 der Zeitschrift „Das Motorrad“ [14] Siegfried Rauch. Seine Rolle an der
(Weiter-)Entwicklung der RT125 ist in dem bereits genannten Buch ausgiebig
dargestellt. „Diese 150er MZ ist nicht weniger gelungen als es seinerzeit die
RT125 von DKW war. Man wird sie, auch wenn’s schwerfällt, wiederum als Maßstab,
als Wertmesser für Motorräder zwischen 100 und 200 ccm ansehen müssen. … Wer
irgendwo in der Welt Motorräder in der Größenordnung zwischen 100 und 200 ccm
verkaufen will, wird mit der Konkurrenz der ES150 aus Zschopau rechnen und sich
mühen müssen, etwas Gleichwertiges anzubieten.“
Im Laufe ihrer
Produktionsdauer wurden, z.T. parallel zu den anderen Baureihen, an den
Maschinen fortlaufend optische und technische Veränderungen vorgenommen, z.B.
der einfarbige Tank mit doppeltem Zierstreifen (ab 1964), die Umstellung der elektrischen
Verbindungen von Schraub‑ auf Steckverbindungen und die einfarbige Sitzbank (ab
1965), die Zugstrebe für die Hinterradbremse sowie die senkrechte Strebe zur
Halterung des Auspuffs (ab 1966), die kastenförmig verstärkte Vorderradschwinge
(ab 1967), der Segmenttachometer (ab 1968), der Vorderreifen 2.75-18 (statt
3.00-18 – ab 1969).
Zur Verbesserung der
thermischen Stabilität wurden im Jahr 1965 die Kühlrippen vergrößert [15]. Der bisher noch an den „Urahn“ DKW RT125
erinnernde Zylinderkörper wich dem bekannten „Breitrippenzylinder“. Der
Zentralschwimmer-Startvergaser (BVF 22N1-1 bzw. 24N1-1) ersetzte den bisherigen
Vergaser mit Luftschieber [16]. Die Vergaser-Abdeckung war nunmehr bei beiden
Hubraum-Varianten identisch ausgeformt. Mehr optischer Natur war die jetzt
kantige Formgebung des linken Getriebegehäuse-Deckels. Ein ausgiebiger
Test [17] stellte die Vorzüge des neuen Motors fest.
Im Jahr 1969 erfolgte
eine erneute Überarbeitung der Motoren. Durch Veränderungen an der Ansauganlage
(Luftfilter, Vergaser, Ansaugkrümmer), des Auspuffs sowie der Steuerzeiten und
der Verdichtung konnte die Leistung von bisher 8,5 bzw. 10 PS auf 10 bzw.
11,5 PS erhöht werden [18]. Gleichzeitig entfiel die Vergaser-Abdeckung. Die
Typenreihe wurde nunmehr als ES125/1 bzw. ES150/1 bezeichnet. Auch diese
Versionen wurden in der Fachpresse eingehend dargestellt [19] [20]; in letzterem Beitrag im direkten Vergleich zur
ETS 150.
Eine dreiteilige
Artikelserie [21] beschäftigte sich Anfang 1969 mit der Wartung
und Instandhaltung der Maschinen.
Es sind (mindestens) sechs
verschiedene Varianten des Auspuffs zur Verwendung gekommen. In einem Beitrag
des MZ-Forums [22] sind diese näher beschrieben.
Das Facelift des gesamten
MZ-Programms [23] bescherte der kleinen ES-Baureihe Federbeine mit
offenliegenden, verchromten Federn. Auch nach Einführung der
TS125/150-Baureihe [24] blieb die kleine ES-Baureihe im
Fertigungsprogramm: „Alu-silberne Kotflügel, einschließlich des Vorderträgers,
schwarze Rahmenteile und die Lackpalette blau, rot und gelb für Tank, Scheinwerfer
und Seitenverkleidungen werten dieses Fahrzeug nun auch äußerlich wesentlich
auf. Der Einsatz der Vollschaumsitzbank für dieses Fahrzeug läßt den lang
gehegten Wunsch vieler MZ-Kunden nach Komfortverbesserung in Erfüllung gehen“.
Die kontinuierlich
vorgenommenen Änderungen an den Motoren, u.a. Duplexkette als Primärantrieb,
verstärkte Kurbelwelle, wurden parallel an den jeweiligen ES- und TS-Modellen
eingeführt [25]. In diesem Artikel werden auch die für die
TS125/150 vorgenommenen Rahmen-Verstärkungen im Bereich des Steuerkopfes und
die geänderte Motoraufhängung [26] beschrieben: „Die hier gezeigten Verbesserungen
werden selbstverständlich auch für die Rahmen der mit verbessertem Finish
weiterproduzierten Motorräder MZ ES125/1 und ES150/1 wirksam.“ Auch der Ende
1973 veränderte Auspuff [27], sowie die wartungsfreie Schwingenlagerung [28] wurden für die TS- und die ES-Modelle
eingeführt.
Zum Jahr 1977 erfolgte die
letzte große Überarbeitung des in den Grundzügen aus den dreißiger Jahren
stammenden Triebwerkes. Eine geänderte Lagerung des Kolbenbolzens und des
Pleuellagers sowie der Kurbelwellen-Hauptlager ermöglichten die Verwendung
eines 1:50-Gemisches in den nunmehr als MM /3 bezeichneten Motoren [29]. Ob diese Motoren in den zwischen Dezember 1976
und dem Auslaufen der Fertigung 1977 noch ca. 2000 gebauten Maschinen zum
Einsatz kamen, ist bis heute nicht geklärt.
[1] Die
RT125-Seite von Claus Uhlmann
(http://www.die-rt125.de/)
[2] Unser
Test : MZ 125/3
(Der Deutsche
Straßenverkehr (1960) Heft 3, Seite 90 bis 92)
[3] ES125/150
– die neue Motorrad-Typenreihe von MZ
Kraftfahrzeugtechnik
(1962) Heft 10, Seite 419 bis 423
[4] Die
kleine ES-Typenreihe – stark, leicht und schnittig
Der Deutsche
Straßenverkehr (1962) Heft 11, Seite 368 bis 371
[5] Technische
Einzelheiten der neuen Motorräder MZ TS 125 und TS 150
Kraftfahrzeugtechnik
(1973) Heft 7, Seiten 200 und 201
[6] Schwingenprobleme
Kraftfahrzeugtechnik
(1963) Heft 11, Seite 415 bis 417
[7] Homepage
der IG Stadtroller Berlin
(http://www.iwl-stadtroller-ig.de/)
[8] KFZtechnik
erprobte MZ ES 125 und ES 150
Kraftfahrzeugtechnik
(1963) Heft 11, Seiten 426 bis 430
[9] MZ ES 125
und MZ ES 150 vom VEB Motoradwerk Zschopau
Der Deutsche
Straßenverkehr (1963) Heft 12, Seiten 404 bis 407
[10] KFZtechnik
Langstreckenbeurteilung MZ ES 150
Kraftfahrzeugtechnik
(1964) Heft 7, Seite 268
[11] Zur Langstreckenbeurteilung
MZ ES 150
Kraftfahrzeugtechnik (1964) Heft 12, Seiten 465
und 466
[12] KFZtechnik
Langstreckenbeurteilung 12.000km mit der MZ ES 150
Kraftfahrzeugtechnik
(1965) Heft 2, Seite 64 bis 66
[13] Gütezeichen Q für die
MZ ES 125 und 150
Kraftfahrzeugtechnik
(1964) Heft 7, Seite 273
[14] MZ ES150
Das Motorrad (1964) Heft 3, Seiten 64 bis 67
[15] MZ ES125/150 mit
Breitrippenzylinder und neuem Vergaser
Kraftfahrzeugtechnik
(1965) Heft 3, Seite 90 bis 92
[16] Eine neue
Motorrad-Vergasertypenreihe
Kraftfahrzeugtechnik
(1968) Heft 3, Seite 67 bis 70
[17] Unser Test : MZ
ES150 mit Breitrippenzylinder und neuem Vergaser
Der Deutsche
Straßenverkehr (1965) Heft 12, Seite 398 bis 400
[18] Weiterentwicklung
der kleinen MZ-Typenreihe ES125/150
Kraftfahrzeugtechnik
(1969) Heft 6, Seite 164 bis 165
[19] KFT beurteilt : MZ
ES150/1
Kraftfahrzeugtechnik
(1970) Heft 10, Seite 307 bis 309
[20] Unser Test : MZ ES150/1
und ETS150/1
(Der Deutsche
Straßenverkehr (1971) Heft 2, Seite 44 bis 48)
[21] Instandsetzungsreihe MZ
ES 125/150
Kraftfahrzeugtechnik
(1969) Heft 1 bis 3, Seiten 25-27/55-57/86-89
[22] MZ-Forum :
Auspuffformen
(http://mz.fmode.de/viewtopic.php?t=350)
[23] MZ Finishverbesserungen
Kraftfahrzeugtechnik
(1971) Heft 7, Seite 213
[24] Das neue Typenprogramm
aus Zschopau
Kraftfahrzeugtechnik
(1972) Heft 9, Seite 264 bis 267
[25] Technische Einzelheiten
der neuen Motorräder MZ TS125 und TS150
Kraftfahrzeugtechnik
(1973) Heft 7, Seite 200 bis 201
[26] Verbesserte
Motoraufhängung bei der kleinen MZ
Der Deutsche
Straßenverkehr (1974) Heft 8, Seite 284
[27] Veränderter MZ-Auspuff
Der Deutsche
Straßenverkehr (1974) Heft 3, Seite 103
[28] Neuber/Müller,
„Wie helfe ich mir selbst“
1. Auflage, VEB Verlag Technik Berlin, 1981
[29] Qualitätsverbesserungen
am Motor MM125/150 und am MZ-Motorrad TS125/150
Kraftfahrzeugtechnik
(1977) Heft 9, Seite 272 bis 273